Tage an denen beim Klettern gar nichts geht? In den letzten Jahren hatte ich – wenn auch zum Glück nur sehr vereinzelt – ein paar Klettertage dieser Sorte. Tage an denen ich richtig große Angst hatte, als ich mich beim Umlenker ins Seil setzen sollte und ununterbrochen nach unten geschaut habe. Es hätte ja sein können, dass mein Sicherer plötzlich nicht mehr da ist… Tage an denen ich mich im Vorstieg nur zittrig nach oben kämpfen konnte… Vor ein paar Wochen war wieder so ein Tag. Ich war mit meinem Mann in der Kletterhalle – wir sind bereits einige Routen geklettert – die Stimmung war super und beim Klettern ging es mir richtig gut. Und dann ist es passiert:
Wir standen beide am Boden – Michael war gerade dabei sich einzubinden und schwups – auf einmal fällt sein Handy aus der Tasche und zerschellt am Hallenboden. Nun ja – ich dachte zumindest im ersten Moment, dass es sein Handy gewesen wäre. In Wirklichkeit war es das Handy eines Kletterers, der von der gegenüberliegenden Hallenseite aus quer durch das Dach geklettert war und dem schließlich direkt über uns das Handy aus der Tasche fiel. Das Handy schlug aus fast 20 m Höhe ganz knapp neben Michael ein – er spürte den Luftzug an der Schulter. Wir waren überglücklich, dass uns nichts passiert ist. Nach dem ersten Schock waren wir beide überzeugt, dass es wieder passt und wollten weiterklettern – suchten uns aber sicherheitshalber gleich mal einen Sektor, in dem oberhalb kein Dach war 🙂
Als ich die nächste Route einstieg, ging plötzlich gar nichts mehr. Ich fühlte mich wie gelähmt und total blockiert. Ich hatte schließlich eine leichtere Route probiert und als das auch eine mittlere Katastrophe war, gingen wir in den Boulderbereich – die Lust aufs Klettern war aber komplett dahin. Schlussendlich haben wir es dann mit dem Klettern bleiben lassen und sind in unser Lieblingsrestaurant essen gegangen. Mit einem Glaserl Wein haben wir darauf angestoßen, dass nochmal alles gut gegangen ist. Das hat den Tag für uns noch sehr versöhnlich ausklingen lassen.
Ursachenforschung: Warum an machen Tagen beim Klettern gar nichts geht
Im Nachhinein ging mir meine mentale Verfassung nach dem fast-Unfall nicht mehr aus dem Kopf und hat mich nachdenklich gestimmt. Mich hat diese Situation dazu angeregt, mir darüber Gedanken zu machen, was es mit dieser und ähnlichen Situationen auf sich hat. Warum war bei mir so dermaßen „zsammgräumt“. Ich bin meine Klettergeschichte gedanklich durchgegangen und bin noch auf einige weitere Situationen gestoßen, in denen ich mich genauso fühlte. All diese Tage hatten etwas gemein:
- eine Situation mit gewaltigem Verletzungspotenzial, die nochmal glimpflich ausgegangen ist
- ein Ereignis, das die Endlichkeit des eigenen Lebens in Erinnerung ruft
Wenn das Unterbewusstsein auf Hochtouren läuft
Beides sind Momente, die uns im Unterbewusstsein viel stärker beschäftigen, als wir im ersten Moment glauben würden. Unser Unterbewusstsein arbeitet dann auf Hochtouren und es sind schlicht keine Ressourcen mehr verfügbar, die für mentale Anforderungen nötig wären. Plötzlich schmeißen wir die Nerven bei Dingen weg, die sonst nie ein Problem wären. Einfach, weil keine Kraft für den Umgang mit der mentalen Anforderung da ist. Wahrscheinlich ist beim nächsten Klettertag alles wieder wie immer.
Wenn an einem Tag etwas Schlimmes passiert ist, dann komme ich vermutlich auch nicht auf die Idee am Abend Klettern zu gehen geschweige denn zu erwarten, dass es besonders gut läuft. Es gibt aber auch Situationen, die wir gar nicht als belastend einstufen, die aber eine große mentale Auswirkung zeigen, da sie unser Unterbewusstsein beschäftigen. Eine Situation, an die ich mich bei bei den Überlegungen zu diesem Artikel erinnert habe, war vor einiger Zeit das Begräbnis meiner Großmutter, die mit 95 Jahren friedlich eingeschlafen ist.
Natürlich war der Verlust schmerzlich. Der Vormittag der Verabschiedung war aber geprägt von einer tiefen Dankbarkeit, dass sie bis zuletzt ein selbständiges Leben geführt hat. Ich fühlte mich an diesem Tag mental nicht belastet und am Abend hatte ich das Bedürfnis nach etwas Bewegung. Als damals beim Klettern gar nichts so lief, wie ich mir das vorgestellt hatte, dachte ich mir, dass ich noch mehr geben muss… das hat natürlich nichts gebracht 🙂
Was habe ich daraus gelernt?
Mittlerweile weiß ich, dass ich mir in so einem Moment auch zugestehen darf, dass an manchen Tagen beim Klettern gar nichts geht. Solche Tage gibt es zum Glück nicht viele im Leben und es ist vollkommen in Ordnung, die Ansprüche an die eigene Leistungsfähigkeit in diesen Ausnahmesituationen zurückzustellen. Es sind Ausnahmesituationen, nichts alltägliches – Herausforderungen für uns, denen wir hoffentlich nur ganz selten begegnen.
Statt mit Druck und Forderung zur reagieren, kannst du dir ruhig zugestehen, an so einem Tag auf ein Alternativprogramm zurückzugreifen. Vielleicht passt es mit einem der Tipps aus der Kartoffelsack-Sammlung. Wenn nicht, ist es auch in Ordnung. Dann überlege dir, womit du dir an dem Tag eine Freude machen kannst!
Kennst du die Situation, dass beim Klettern gar nichts geht? Was hilft dir in dem Moment?
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